
Das hilft enorm bei Depression: Ballspielende Kälber.
Rückblickend kann ich mich in meinen mittlerweile 60 Jahren wirklich nicht beklagen. Die Unterfunktion der Schilddrüse ist geerbt. Sie war schnell wieder eingestellt. Die Nierensteine, die mich ausgerechnet auf Okinawa zum ersten und einzigen Mal schwer plagten, waren nach der Rückkehr nach Deutschland in wenigen Minuten im Ultraschallbad zerschossen. Die kleine Engstelle einer Ader im Hirn ist mit der regelmäßigen Einnahme von Acetylsalicylsäure seit nahezu 30 Jahren kein Problem mehr. Dem Krebs sehr viel später konnte ich entrinnen. Es hat nur etliche Monate gedauert. Es ist geschafft. Und ich bin sehr, sehr dankbar.
Nun also eine Depression.
Was wiederum nicht wirklich überrascht. Familienseitig ist es wohl angelegt. Selbst unser Vater erlitt damals etwa in meinem heutigen Alter eine sehr schwere Depression, die er schließlich dann auch mit qualifizierter Hilfe doch noch in den Griff bekommen konnte. Das war schön. Auch wenn es nicht lange währte. Er starb viel zu früh. Es gibt mehrere Familienglieder, die in unterschiedlicher Art Depression erleiden. Sie können mehr oder weniger gut damit leben.
Die depressiven Phasen kenne ich schon seit vielen Jahren. Sie waren immer mal wieder da. Und dann auch wieder weg. Es war immer nur kurz. Bis ich es nun im Frühjahr immer häufiger erleben musste. Es war zunächst nur schwer zu orten. Viele Veränderungen, sehr viele Niederschläge, Selbstzweifel, Neuorientierung, Neubeginn.
Schwarze Tage mit Depression
Es gab Tage, an denen ich keinen Schritt nach draußen gehen konnte. Keine Ziele mehr, kein Antrieb. Bleischwere Glieder, viele Stunden auf dem Sofa, vor mich hin grübelnd. Menschen, die selten wirklich gut zuhören können. Und immer wieder das Gefühl, nicht wirklich gebraucht zu werden. Schwere Zeit, sehr schwer auszuhalten. Wer sich ein wenig damit auskennt, weiß auch, dass depressive Menschen damit nicht hausieren gehen.
Gleichwohl musste ich Entscheidungen treffen. Das habe ich getan. Wenn auch zuweilen sehr schmerzhaft. Sie haben neue und teilweise sehr schwere Schübe verursacht, die ich aushalten konnte. Es hat einige Zeit sehr, sehr weh getan. Irgendwann ging es wieder.
Die Zwischentöne hören
Nicht zuletzt, weil ich mir selbst Hilfe organisieren konnte. Eine qualifizierte Psychologin, vermittelt durch einen Zufall, die einfach damit begonnen hat, was wirklich wichtig war: Zuhören. Gut zuhören. Die immens vielen Zwischentöne zu hören, sie einordnen zu können. Diese sehr streng und klar mit mir zu sortieren. Das hat oft sehr weh getan. Klare Entscheidung gleich zu Beginn: Keine Medikamente, sondern harte Arbeit. Wir reden. Viel.
Es ist zuweilen sehr herausfordernd, die Depression von und mit der Hochsensibilität, von der ich nun seit etwa zehn Jahren weiß, zu trennen. Diese Hochsensibilität hat, wie alles, Licht und Schatten. Schatten sind Lärm, Geräusche, zu viel Licht, zu viel Unsinn, zu viele Eindrücke, zu viele Belastungen. Licht sind meine sehr tiefen Empfindungen und Wahrnehmungen, ehrliche Empfindungen, Klarheit, der Anspruch auf Qualität, gegenseitiger Respekt, gegenseitige Wertschätzung, Bewegung und Ruhe, Klarheit und Eindeutigkeit in der Sprache.
Zu viel Wahrnehmung
Neben einigen persönlichen Beziehungen, die mich zum Teil belastet haben, drücken mich der zunehmende schlechte Zustand dieser Erde, das hilflose Irren der Menschen in dieser Klimakatastrophe, die gesellschaftlichen Veränderungen, der falsche Trieb zur Macht, die wackelnde Gestaltungskraft der Politik, das offenkundige Wanken der Demokratie, an die ich fest glaube. Es ist schwer für einen Nachrichten-Junkie, dies alles auszuhalten. Wenn es zu viele schlechte Nachrichten gibt, belastet mich das. Ich lerne gerade, das zu dosieren. Was ich mittlerweile weiß: Ich nehme zu viel wahr, sortiere es ein, mache mir systematische Gedanken, ordne ein, verstehe. Und dann ist da noch dieser hohe Qualitätsanspruch… Manchmal und oft ist es zu viel. Mittlerweile weiß ich wieder, wann ich unter die Decke auf dem Sofa muss, um für einige Zeit konsequent alles auszuschalten. Dann geht es wieder.
Mir hilft das Busfahren als regelmäßige und gleichbleibende Konstante gegen die Depression, auch wenn ich mich über viele Einzelheiten des Systems massiv aufregen kann. Ganz andere Baustelle. Neue Baustellen, bei denen ich wieder strategisch und gestalterisch mitwirken kann, werden sich mit Sicherheit bald wieder auftun.
Mir helfen die Bewegung im Wasser oder auf dem Fahrrad. Mir helfen konkrete Übungen, die ich mittlerweile regelmäßig auf der Matte absolviere. Mir helfen am meisten die Gespräche mit meiner Fachfrau. Sie erschöpfen und inspirieren mich. Nach schweren Gedanken und anschließender Sortiererei folgen fast immer Pläne. Seither gibt es übrigens keine weiteren depressiven Schübe.
Es macht dann großen Spaß, konkrete Pläne gemeinsam mit anderen wieder zu gestalten, sie demnächst in die Tat umzusetzen. Es wird wieder.
cdv!
Viel Kraft und danke für das Teilen!