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Es wird ein Garten

2. Januar 2022

 

Was ziemlich sicher ist: Es wird ein Abenteuer. Im August wollen wir uns das anschauen, und sehen: Nichts. Man kann über das defekte Gartentörchen klettern, die wenigen Meter auf dem schmalen Plattenweg voran schreiten. Vor uns eine Wand aus Brennesselpflanzen und Brombeeren. Auf der Rückseite ein ähnliches Bild. Ein Garten ist nicht zu erkennen. Gemeinsam entscheiden Annette und ich uns dennoch dafür. Grabeland, wie es hier in Dortmund-Marten heißt. Kein Kleingartenverein, sondern lediglich eine Kolonie unterschiedlich großer Gartenstücke, mal mehr oder weniger gut in Schuss. Unser Stück ist schmal und lang, etwa 240 Quadratmeter. Was wir von Nachbarn hören: Es war seit etwa sechs Jahren niemand mehr da.

Wir starten mit dem starken Freischneider, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen. Kein Problem bei den Brennesseln, doch schon bei den zu hochgewachsenen Brombeerstämmen gibt es Probleme. Besser geht es später mit einer gebrauchten Heckenschere zunächst von oben an den Zweigen, um dann mit dem Freischneider nachzuarbeiten. Es dauert nahezu vier Wochen, bis wir am Ende des etwa 30 Meter langen Streifens ankommen. Die mittlerweile hohen Berge Gestrüpp lassen sich dann mit einem gemieteten Motorhäcksler in überschaubare Größen verringern.

Wir finden eine moderige Hütte voller Sperrmüll mit einem kleinen Abteil für zumeist beschädigte Arbeitsgeräte. Es dauert mehr als einen Tag, den über- und durchwuchernden Knöterich und die durchrankenden Efeuzweige zu entfernen. Und das Thema Müll wird eine weitere große Herausforderung. Am Ende des Gartenstücks sind mehr als sechs Meter Abfall immerhin schon mal ordentlich gestapelt. Zusammen mit den Mengen aus der Hütte, mittlerweile auch am Ende des Gartens zusammengestellt, wohl insgesamt mehr als zehn Kubikmeter, die wir demnächst entsorgen müssen. Es wird eine logistische Herausforderung, denn die Anfahrt stellt sich als nicht so einfach dar.

Schnell steht fest, das die Hütte nicht mehr zu reparieren ist. Der Plan wächst, sie im Frühjahr abzubrechen, und eine neue zu bauen. Dafür muss aber zunächst der Abfall entsorgt werden, damit Platz zur Lagerung des Altmaterials ist. Als wir uns das erste Mal der Bodenarbeit zuwenden, tauchen die nächsten Herausforderungen auf. Es finden sich unsystematisch Steinplatten und unterschiedliche Steine, dann auch die ersten Wege, immer wieder Kleinabfall, sehr viele teilverrottete Plastiktüten, Draht und Angelschnüre. Auf dem eigentlichen Erdboden hat sich in den letzten Jahren eine etwa zehn Zentimeter hohe Schicht aus Brennesselrhizomen, Moos und Laub entwickelt. Die verzweigten Wurzeln lassen sich nach der Lockerung mit der Hand entfernen. Es wachsen neue Berge. Eine erste Miete ist aufgesetzt, die vor sich hin rotten kann.

Eine riesengroße Hilfe ist Gartennachbar Carsten. Nicht nur, dass wir seine komfortable Hütte zur Umkleide nutzen können. Er liefert mit dem Generator Strom für die kleinen Häcksler oder die kleine elektrische Kettensäge. Er hat auch eine Leiter, und wir können seine Schubkarre nutzen. Die erworbene Wiedehopfhacke ist perfekt für die Brombeerwurzeln, die Grabegabel ist aktuell einer meiner besten Freunde. Mehr als einen Tag dauert es dann noch mal, alle gefundenen Steine und Steinplatten am Rand zu stapeln. Zwei Garten-Experten geben uns wertvolle Tipps. Zwei weitere Herausforderungen für die Zukunft: Es gibt keinen Strom, derzeit auch noch kein Wasser. Auch da müssen wir an Lösungen denken.

Nahezu durchgehend können wir arbeiten. Ausgeschlossen sind lediglich die Tage, an denen es fett regnet. Viele abgesägte Äste sind mittlerweile in Scheitgröße verkleinert, lagern provisorisch trocken. Etwas mehr als ein Drittel der Fläche ist jetzt, zu Beginn des Jahres 2022, umgegraben. An vielen Tagen, an denen ich drei oder vier Stunden dort herumwerkele, sind nach wenigen Minuten auch die Rotkehlchen zur Stelle. Erstaunlich zutraulich und auch mit tollkühnen Flugmanövern um mich herum schnappen sie sich den ein oder anderen Regenwurm, der es nicht schnell genug wieder in die Erde geschafft hat. Die gefundene Erdkröte haben wir wieder unter die Erde gepackt. Entweder ein Maulwurf oder Wühlmäuse werfen kleine Haufen auf. Der Specht war schon da, zwei Elstern schauen auch ab und zu vorbei.

Der freigelegte Boden ist wunderbar krümelig, fühlt sich richtig gut an. Es riecht schon wie ein Garten. Er ist voller Regenwürmer, und nach dem Umgraben wird es bis zum Frühjahr noch mal mit einer Schicht Laub abgedeckt.

Jetzt sind wir allmählich so weit, dass wir uns mit dem Frühjahr befassen können. Annette überlegt an einem ersten Pflanzplan, denkt über eine Kräuterspirale nach. Wenn alles klappt, können wir in wenigen Monaten auf einigen Flächen schon ein wenig Gemüse und Kräuter einpflanzen und säen. Es wird auch eine kleine Wiese geben. Es gibt eine erste Liste von wünschenswerten Blumen und Sträuchern, allesamt insektenfreundlich. Wir lesen viel in Büchern und Blogs. Ich denke gerade über ein weiteres Provisiorium nach, um noch verwendbares Holzmaterial und die Arbeitsgeräte trocken lagern zu können. Eine erste Voraussetzung, um die Hütte abreißen zu können.

Wir wissen sehr genau, dass es noch etliche Monate braucht, um es mal einen wirklichen Garten nennen zu können. Und wir sind sicher, dass es noch sehr viel Arbeit ist. Gleichwohl wissen wir auch, wie gut das tut. Die Stunden an der frischen Luft, die körperliche Betätigung, das regelmäßige Begutachten der sichtbaren Fortschritte. Wir sind schon heute, trotz der besonderen Herausforderungen, dankbar, ein kleines Stück Boden beackern zu können.

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