Geschichten aus dem Bus

Jetzt: Die Angst im Bus

17. August 2020
Die Angst im Bus ist da: Die Schülerinnen und Schüler dicht gedrängt am frühen Morgen.

So schön das frühe Morgengrauen war, das wirkliche Grauen folgte nur wenige Stunden später. Das Foto entstand gegen 5-30 Uhr.

 

Seit heute sitzt die Angst im Bus neben mir. Seit dem Morgen. Der Grund: Nachdem ich um kurz nach sieben Uhr die zweite Runde der Linie 22 startete, war nach etwa 15 Minuten der Bus voll. Also: Voll! Geschätzt etwa 100 Personen, die meisten davon Schüler. Bis in den Eingang gedrängt standen und saßen sie so etwa zehn Minuten. Immerhin: Alle mit Alltagsmaske. In der Stadt angekommen, war die Fahrgastlage nach wenigen Haltestellen wieder übersichtlich. Es war wie im Januar oder Februar, also vor der Pandemie. Ist die eigentlich noch da?

Geschützt durch ein Kunststoff-Rollo, dass mich letzte Woche schon die linke Augenbraue hochheben ließ, war mir schnell klar, dass wir in wenigen Tagen in der sogenannten „zweiten Welle“ sein werden. Während das linke Auge die letzten Wochen schon auf die steigenden Infektionszahlen des RKI gerichtet war, schaute das rechte immer wieder auf das unbekümmerte Treiben draußen auf den Straßen. Seit dem Ferienende in Nordrhein-Westfalen Mitte letzter Woche ist hier der Alltag wieder da. Aber auch: Die Angst im Bus.

Der marginale Schutz mit einem Kunststoff-Rollo.

Während ich nahezu jedem gegenüber die Masken-Disziplin im Vorsauerland unaufhörlich lobe (liegt zuweilen ein wenig auch am Busfahrer!), ist nun wohl der Punkt erreicht, wo selbst die Disziplin nicht mehr ausreicht. Und das Grauen wird sich steigern, dessen bin ich mir sicher. Die sommerlichen Temperaturen waren seit den Gewittern und Regenschauern nicht mehr so immens heiß, also wurde die Klimaanlage in den Bussen nicht mehr auf die höchste Kühlung eingestellt. Meine Strategie der letzten Tage: Die Fenster immer offen, immer wieder beide Türen öffnen, zumeist auch die Dachluken, um möglichst viel Luftzirkulation im Bus zu haben.

Die Angst vor dem Herbst

Ich möchte den nahenden Herbst noch nicht einmal annähernd erahnen, wenn es dann notwendig sein wird, die Heizung im Bus zu betätigen. Selbst, wenn es über den Tag annähernd normale Fahrgastzahlen hat, werden dann die Schülertransporte am Morgen und am Mittag der Peak sein. Etwa 100 Personen fasst jeder normale Solobus, die Gelenkzüge, die in den Spitzenzeiten für die Schülerbeförderung eingesetzt werden, noch einiges mehr, nämlich etwa 140 Personen. Auch sie sind derzeit schon voll. Die Schülerinnen und Schüler darin sind dann zu diesen Zeiten dicht gedrängt. Meine Einschätzung: Ob mit oder ohne Alltagsmaske, spielt bei dieser Nähe keine Rolle mehr. Gern würde ich dazu Studien lesen, die den Einfluss der Aerosole in solchen Situation erforscht haben; nur die habe ich bisher nicht gefunden.

Auf der Rückfahrt nach dem Dienst hörte im Radio einen Beitrag über Schweden (schwierig, ich weiß…), wo aber immerhin weiterhin zeitversetzter Unterricht, Distance-Learning und kleinere Gruppen an der Tagesordnung sind. Warum geht das nicht auch hier? Mein Eindruck: Das Versagen der Behörden (Länder-Sache!) zum Schuljahresanfang ist immens. Keine Strategien zum neuen Schulalltag, sondern möglichst „Leben wie einst“. Die kurze Sinnierung, ob das sogar ein wahltaktisches Geplänkel sein kann (NRW wählt am 13. September), verwarf ich schnell wieder. Das möchte ich derzeit nicht zu Ende denken.

Wer kümmert sich?

Ganz klar: Um meinen Schutz werde ich mich bei der nun vorhandenen Angst im Bus weiterhin intensiv kümmern, auch wenn das schon ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen ist. Der Schutz der Menschen in den Bussen ist mit einer „Normallage“ insbesondere in den Spitzenzeiten nicht mehr gewährleistet. An wen kann ich das jetzt mal weitergeben?

Zwei weitere Links zur aktuellen Lage, und die wird damit nicht besser:

Corona-Falle Innenraum: Warum es im Herbst hart wird

Studie: Corona-Warn-Apps funktionieren nicht zuverlässig im ÖPNV

cdv!