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Das Problem sind wir? Ja!

21. Dezember 2022

Wie organisieren wir eine Plattform für einen internationalen Austausch. Oder bleibt es bei Twitter.

Die ZDF-Kollegin Nicole Diekmann versucht eine Erklärung für das Problem. Es geht um Twitter. Es geht um Elon Musk, der Twitter gekauft hat. Irgendwie widerwillig, aber dann hat er es getan. Was seither abgeht, wissen diejenigen, die sich seit vielen Jahren dort tummeln, die sich aus welchen Gründen auch immer damit beschäftigen. Es füllt kurzfristig aufgesetzte Podcast-Episoden, die Medien lassen kaum einen Tweet aus, den der Multi-Milliardär absetzt. Erratisch, wohl wahr. Wer berät ihn, und wer kommt an die Spitze, wenn er sich wieder um Tesla oder Spaxe-X kümmern muss?

Das aktuelle Problem ist mit Sicherheit Elon Musk. Psychologinnen mögen das erklären. Das geht weit über meine Expertise hinaus. Das eigentliche Problem, und da hat Nicole Diekmann dann doch recht: Das Problem sind wir!

Das „Wir“ umfasse ich jetzt allerdings weiter. Es sind nicht nur jene, die Twitter als ihre Plattform für sich erkannt und genutzt haben, oder noch immer weiter nutzen. Es sind, großer Bogen, auch wir als Gesellschaft und unsere politischen Vertretungen. Bis heute haben Gesellschaft und Politik keinen Weg gefunden, mit großen Plattformen umzugehen. Und auch die Plattformen finden bis heute keinen Weg. Marc Zuckerberg, der Chef von Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp), eiert mit dem Metaverse in irgendeine Zukunft, die er nicht mal annähernd präzise beschreiben kann. Nur teuer bewerben. Geld ist ja da. Noch.

Twitter schlingert zum Konkurs

Twitter dagegen schlingert seit Jahren und nun dramatisch dem Konkurs entgegen. Dabei hat Twitter einen Stellenwert in der Kommunikation eingenommen. Politik, Medien, Gamer, Randgruppen, politische Gruppen im Widerstand; Twitter hat einen gesellschaftlichen Wert erreicht, wenn auch zuweilen diskussionswürdig. Das ist eine gute Grundlage. Es geht zuweilen hart zur Sache. Wer reglementiert wie auf welchen Grundlagen? Dass ausgerechnet Elon Musk Gremien aufgelöst hat, dich sich innerhalb des Unternehmens darum gekümmert haben, spricht nicht für den Menschen, wenn er es nicht begreift.

Die Frage ist, wie wir eine Plattform nationenübergreifend mitgestalten können. Wobei, mitgestalten? Das ist und war nie  im Plan integriert. Wir überlassen die Kommunikation auf den Plattformen den Unternehmen. Diese haben nur ein Ziel: Geld verdienen. An der Kommunikation haben sie nur ein vordergründiges Interesse. Es ist ihr Geschäftsfeld, dass sie heute nur noch mit Mühe bedienen können. Weil die Konsequenzen einer höchstmöglichen Skalierung vorab nie bedacht wurden. Auch vielleicht nicht bedacht werden konnten.

Facebook ist keine Alternative

Der Start von Twitter im Jahr 2006 war technischen Gründen geschuldet. Es war möglich. Das Internet bot den Raum, Kurznachrichten zu senden, damit und darauf zu interagieren. Welche Reichweite es einmal erreichen könnte, war vor etwa 17 Jahren nicht einmal vorstellbar. Und die Vergleiche sind frappierend. Marc Zuckerberg erkannte mit Facebook den Weg der Monetarisierung sehr schnell und sehr klar, verschaffte seinem Konzern und damit ihm ein Vermögen. Gleichwohl heute mit einem anderen Ergebnis: Das Einschränken der organischen Reichweite bietet heute keine Möglichkeit mehr für eine aktuelle Diskussion. Dies funktioniert nur noch in Teilebenen wie etwa Gruppen. Aber Facebook  ist trotz der vermeintlich gemessenen Reichweite nicht die Plattform für Diskussion. Das war und ist vielleicht noch immer Twitter.

Das Unternehmen Twitter hat seinen eigenen Wert in der Gesellschaft aus welchen Gründen auch immer vielleicht nicht erkennen können. Und darum auch versäumt, ein gewinnorientiertes Geschäftsfeld daraus zu entwickeln. Mittlerweile bis auf wenige Tage fast 15 Jahre dabei wäre ich schon vor zehn Jahren bereit gewesen, für einen erkennbaren Mehrwert (Spaces, oder andere), einen monatlichen Betrag zu überweisen. Die Erkenntnis, dass das Internet nicht kostenlos ist, war schon damals da. Das Unternehmen Twitter hat genau das versäumt. Warum auch immer.

Die Politik hinkt immer hinterher

Wenigen Menschen war damals bewusst, welchen Einfluss die Plattformen auf die öffentliche Wahrnehmung haben kann. Politische und gesellschaftlich bedeutende Diskussionen in einer offenen Öffentlichkeit haben erstaunliche Ergebnisse offen zutage gefördert. Die Möglichkeit, dass sich jeder heute zu Wort melden kann, überfordert immer noch alle. Die Tatsache, offen und mit anderen Meinungen zu diskutieren, ist gesellschaftlich immer noch nicht in der Tiefe angekommen. Das liegt natürlich auch am Ton, weil sich nun auch Menschen zu Wort melden können, die nur Meinung haben, aber kein Wissen und damit keine Ahnung.  Wer sind wir, dies in welcher Form zu bewerten? Die Frage ist nicht beantwortet. Es gibt bis heute keine verbindlichen Regeln. Und warum sollten die Plattformen sie entwickeln, die nur Geld damit verdienen wollen?

Die Plattformen haben sich über die Jahre technisch enorm weiter entwickelt. Zuweilen aus der Not, zuweilen aus der technischen Entwicklung, die immer mehr Möglichkeiten geschaffen hat. Gleichzeitig hat die schwerfällige Politik immer wieder hinterher gehinkt. Und tut sich immer noch damit schwer, weil sie glücklicherweise demokratisch und genau deshalb schwerfällig ist. Die Diskrepanz wird bleiben, weil der technische Fortschritt immer schneller sein wird als demokratische Prozesse.

Tatsächlich geschichtlich interessant ist mittlerweile, wie wir mit dem Untergang einer Plattform umgehen, oder es zumindest versuchen. Das ist, Kalauer-Alarm, für alle „Neuland“. Wir müssen als Gesellschaft erkennen und bewerten, wie internationale Kommunikation möglich gemacht werden kann.  Ist es also eine gesellschaftliche Aufgabe, dies zu ermöglichen? Die Technik sagt: Ja. Weil es geht. Die Wirklichkeit der Nationalstaaten steht dem im Weg. Warum wir? Der Ansatz, dem öffentlich rechtlichen Rundfunk als staatliche Aufgabe dies auch noch aufzubürden, ist viel zu klein gedacht. Weil wir längst eine Welt sind. Wir nennen es Globalisierung. Für viel immer noch neu. Und fremd.

Eine Aufgabe der UNO

Damit wäre es eigentlich eine Aufgabe der UNO, dafür zu sorgen, eine Plattform zu schaffen, die eine internationale Kommunikation ermöglicht. Vielleicht ist das kapitalistische System nicht geeignet, eine gesellschaftsorientierte Plattform anzubieten, die dem Grundbedarf eines kommunikativen Austausches entspricht. Vielleicht ist die Gemeinschaft der Staaten auch gar nicht in der Lage, diesen Bedarf zu sehen, und als Aufgabe zu verstehen. Vielleicht sind wir als Weltgemeinschaft bisher nicht in der Lage, zu definieren, welche internationale Kommunikationsplattform wir brauchen, um uns als Welt zu organisieren.

Twitter war und ist aktuell noch immer eine der besten Plattformen, die genau dieses Bedürfnis bisher erfüllt hat. Deshalb lohnt es meiner Meinung nach das Nachdenken, wie wir uns weiterhin organisieren wollen. Wir wissen jetzt um die Gefahr, wenn einzelne Personen das Sagen haben, um weiterhin damit Geld zu verdienen. Ob sie es können, oder nicht. Wir wissen vielleicht aber auch um die Aufgabe, die eine solche Plattform bieten kann.

Wer und wie packt das jetzt an?

cdv!

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