Länger, größer, immer internationaler, mehr Teilnehmerinnen, mehr Panels, mehr Vortragende: Die re:publica wächst weiter von Jahr zu Jahr. Sie dockt das „Netzfest“ und die Tincon an, bezieht das nachbarschaftliche Technik-Museum ein, bietet neue Formate, ändert sich, und bleibt noch immer: die re:publica. Wer schlau ist und liest, entdeckt „The most inspiring festival for the digital society“. Da mag man sie Festival nennen, oder nicht. Es ist und bleibt und wird immer mehr eine „Digitale Gesellschaftskonferenz“. Was sie besonders auszeichnet: Die Vielfalt der Besucherinnen an diesen drei Tagen, das ständige Lernen um der Verbesserung willen.
Manch einer mag müde lächeln, aber es ist tatsächlich eine Anerkennung für die Initiatorinnen, wenn Bundespräsident Frank Walter Steinmeier genau diese Veranstaltung offiziell eröffnete. Es ist die Anerkennung für eine kluge Entwicklung einer Idee, die mal mit dem ersten Treffen in der sehr überschaubaren Kalkscheune in Berlin begann. Es ist die Anerkennung für das Gestalten einer Diskussion zwischen den digitalen Bewohnerinnen des Netzes und jenen Menschen, die in irgendeiner Position Verantwortung tragen. Selten waren mehr Vertreterinnen aller Wirtschaftszweige und der Politik auf der re:publica, selten waren mehr Diskussionen zwischen den Ureinwohnern des Netzes und jenen, die sich dafür verantwortlich sehen, das Netz aber bis heute nicht verstehen.
Die Wertschätzung für die Besucherinnen
Dass es noch immer oder immer mehr den Charakter eines Festivals hat, und dann kann Thomas Knüwer gern bei diesem Begriff bleiben, ist der Umsicht und der Kreativität des mittlerweile groß gewordenen Teams der #rp19 geschuldet. In vielen kleinen Details spürt man noch in jedem Jahr sehr gut, wieviel Wertschätzung den Besucherinnen entgegen gebracht wird. Und es gibt kaum eine Veranstaltung, die es schafft, die Hauptsponsoren ebenfalls in einer wertschätzen Art „einzuatmen“. Respekt. Es ist zuweilen schwer vorstellbar, wie die re:publica weiter wachsen will, wenn schon heuer immer mehr und häufiger der Hinweis „Over capacity“ auf den Eingangstüren pappte.
Gleichwohl bleibt immer wieder die spannende Frage, welche Nachhaltigkeit sich aus den Themen der Gesellschaftskonferenz über das zukünftige Jahr ergibt. Die Veranstaltung kann immer wieder wichtige Impulse setzen, keine Frage. Und dann? Der nimmermüde Sascha Lobo weiß das, und nimmt nahezu jährlich die Besucherinnen mahnend und auffordernd in die Pflicht: Dranbleiben. Jetzt. Kein leichtes Unterfangen. Der nach meiner Meinung nach aktivste und nachhaltigste Part ist die von Markus Beckedahl ins Leben gerufene Initiative von netzpolitik.org. Als ständige Wacher und Mahner, gleichzeitig seit Jahren aktive Diskussionpartnerinnen auf der re:publica.
Eine Chance für die Medien
Was mir aufgefallen ist: Die großen Player fehlen. Wo waren und sind etwa Facebook und Twitter? Google war mit einer kleinen Standpräsenz da, aber nicht aktiv im Diskurs. Und ausgerechnet die Plattformen, auf denen der meiste Streit stattfindet, halten sich weiter heraus. Es wäre eine Bereicherung für genau diese Konferenz, wenn sie aktiv daran teilnehmen würden. Dass sie es nicht tun, mag daran liegen, dass sie es derzeit nicht schaffen, ihre Technik in den Griff zu bekommen, der Verantwortung, die sie haben, gerecht zu werden.
Und was es tatsächlich nicht braucht, da gebe ich Thomas Knüwer sehr gern Recht: Eingebildete Journalisten, die ebenfalls noch immer eingebildeten Medien irgendwelche verschwurbelte Befindlichkeiten ins Textsystem diktieren, die schnell erkennbar lassen, dass auch sie das Netz und ihre Bewohnerinnen nicht annähernd begriffen und verstanden haben. Gerade die immer häufiger strauchelnden Medien hätten genau hier die Möglichkeit, das Netz und den dort stattfindenden Diskurs besser zu verstehen. Das System von oben angesehen: Redaktionsverantwortliche sind dafür verantwortlich, welche nichtwissenden Autorinnen sie zum Besuch der re:publica engagieren.
Die Daumen für eine sich stetig weiter entwicklende re:publica sind meinerseits tatsächlich von Jahr zu Jahr gedrückt. Seit nunmehr zehn Jahren aktiver Teilnahme. Und gerne mehrere mehr, damit die von mir aus als notwendig empfundene Veränderung, die wir ohnehin erleben, weiterhin positiv gestaltet werden kann. Es geht nur miteinander. Die re:publica ist viel mehr als nur ein Sinnbild dafür, sie ist glücklicherweise Wirklichkeit.
cdv!