Allgemein Alltags-Notizen

Vertrauen und Medienkompetenz für die Demokratie

21. November 2020

Demokratie braucht mehr Zuhören und Feedback von den Bürgerinnen. Um mehr Vertrauen in diese zu schaffen.

 

 

Seit vielen Tagen summst es dermaßen im Kopf, dass es schwer auszuhalten ist. Die Bemühungen, das SarsCov2-Virus in den Griff zu bekommen, werden von vielen Menschen nicht verstanden und somit nicht akzeptiert. Schlimmer noch: Die sogenannten „Leugner“ werden nun von rechtsradikalen Bewegungen unterwandert. Ich las von weiteren Demos vor dem Parlament, man munkelt von „Stürmung“, jetzt auch wieder in Leipzig. Derweil rotzen sie vielfach besserwisserisch auf Twitter gegen die Videospots der Bundesregierung, die ich bis auf einige handwerkliche Kleinigkeiten gar nicht so schlecht finde. Die AFD beschädigt erneut durch ihr Verhalten die parlamentarische Demokratie.

Der Kopf glüht etwas, weil wir hier einige grundsätzliche Dinge in den Griff bekommen müssen. Der Wichtigste: Die Demokratie und ihre Entscheidungen bewahren und respektieren. Ich munkele hier jetzt mal so ein wenig rum, quasi ein unfertiger Sortierprozess, kann derzeit viele meiner Punkte noch nicht wirklich mit Fakten belegen. Ich arbeite daran.

Bildung für mehr Medienkompetenz

Meiner Einschätzung nach erleben wir jetzt in der Notsituation das Ergebnis einer langjährig verfehlten Bildungspolitik. Langjährig meint in diesem Fall Jahrzehnte. Nicht nur, was die grundsätzliche Ausstattung unserer Schulen angeht, sondern auch, was das Thema Digitalisierung angeht. Wenn ich sehe, mit welchen Methoden der frühen 90er Jahre des letzten Jahrtausends noch immer gearbeitet wird, muss man sich nicht wundern, das hier einiges wirklich schief läuft. Dies gilt grundsätzlich auch für die Wertschätzung von Bildung.

Auch, wenn sie es nicht gern lesen oder hören wollen. Mittlerweile sind wir soweit, das besonders den Lehrerinnen eine hohe Verantwortung bei der Digitalisierung zukommt. Leider sind es häufig sie, die sich der Digitalisierung und den neuen Aufgaben quer stellen. Es gibt löbliche Ausnahmen, leider nur viel zu wenige. Denn mit dieser Digitalisierung geht es auch um Medienkompetenz. Dabei haben wir schon jetzt mehrere Generationen seit der Entstehung des World Wide Web ausgelassen; die weniger schlauen Ergebnisse könnt ihr in den Kommentarspalten vieler Medien lesen.

Ehrlich gesagt, möchte ich kein Genöle der angesprochenen Berufsgruppe hinsichtlich der aktuellen Überforderung und allen Nöten hören oder lesen. Ja, es hakt an vielen Stellen, es gibt viel Kritik, zurecht. Dennoch: Es ist eine Frage der Verantwortung. Seid kreativ, öffnet euch, lernt (!), und handelt, jeder in seinem Rahmen.

Um diese aktuelle Welt und ihre Entwicklung besser zu verstehen, empfehle ich euch das Buch von Dr. Christian Stöcker, „Das Experiment sind wir“. Neben vielen anderen wichtigen Aspekten, etwa der Klimakatastrophe, besonders entscheidend: Die technische Entwicklung im direkten Zusammenhang mit der Exponentialfunktion. Bestens erklärt.

Ein Wort zum Glauben

Ganz schwieriges Thema. Auch, weil ich selbst seit nunmehr 40 Jahren als Agnostiker unterwegs bin. Und dennoch weiß, dass vielen Menschen bei der zunehmenden Komplexität der Glaube helfen kann. An wen, ist eigentlich egal. Glaube diente meiner Einschätzung nach nahezu immer dafür, die nicht zu beantwortenden Fragen der Menschheit mit einer Lösung zu füllen. Das die Amtskirchen und andere Religionen dies über Jahrhunderte ausgenutzt haben, ist ein anderes Thema. Viele Menschen möchten nun an etwas glauben, was sie in ihrer zuweilen „schmalen“ Gedankenwelt hilft, sie suchen Bestätigung. Das kann dann auch eine Opposition gegen Masken sein. Einfach, weil man sie lästig findet. Und sich dann unter Gleichgesinnten wähnt. Die Rechtsradikalen machen sich das nun gern zu Nutze.

Wie kann man das ändern? Schwierig, ich weiß es nicht wirklich. Meine Vorstellung, und damit mein nächster Punkt: Mehr Transparenz, mehr Wissen um die Demokratie.

Zuhören und Transparenz für eine funktionierende Demokratie

Die Politik ist zu einem sehr großen Teil selbst schuld an dem mangelnden Vertrauen ihr gegenüber. Sie hat es über viele Jahrzehnte auf nahezu allen Ebenen schlichtweg verschlampt. Mit fehlender Transparenz, falscher Sprachfloskeln und der konsequenten Abwesenheit von den Bürgerinnen. Vielfach nur zur Stelle, wenn sie gewählt werden wollen. Noch immer glauben Politikerinnen, immer nur senden zu müssen, am besten auf den Fernsehbildschirmen und auf den Seiten der Tageszeitungen. Letztlich ist die Distanz zwischen Bürgerinnen und Politik zu groß geworden. Was ihnen fehlt, ist das konsequente Zuhören.

Selbsttest, bitte schnell beantworten: Wer ist dein lokaler Bundestagsabgeordneter? Besser noch: Wer ist dein aktueller Abgeordneter des Europaparlaments. Noch besser: Wann hast du sie oder ihn zuletzt gesehen und mit ihm gesprochen? Wann warst du zuletzt auf seiner Homepage? Wann hast du ihm die letzte E-Mail geschrieben?

Diese Fragen werden, da bin ich sicher, von den wenigsten richtig beantwortet werden können.

Daher noch eine: Wer sind deine Stadträte in deinem Stadtteil? Weißt du, in welcher Partei sie sich engagieren?

Diese fehlende Transparenz geschieht schon im Lokalen; zugegeben, meinem Steckenpferd, weil ich die kommunale Politik immens wichtig finde für unser gesamtes Staatswesen. Vom neuen Bürgermeister in Iserlohn, einem Unabhängigen, habe ich seit seiner Wahl nichts mehr gehört oder gelesen. Das liegt auch daran, dass auch er die neue Mediensituation bisher nicht verstanden hat. Gleichwohl auch die Parteien und Gruppierungen, die in den Stadtrat gewählt wurden. Die meisten Webseiten der lokalen Parteiverbände sind schlichtweg das Grauen, die Streams auf den sozialen Netzwerken genauso.

Sprung zurück zur #Bildung: Liebe Lehrerinnen, genau an dieser Stelle seid auch ihr massiv gefordert. Ob Grund-, Realschule oder Gymnasium: Ihr müsst mit euren Schülerinnen in den Stadt- oder Gemeinderat. Just an dieser Stelle müsst ihr Demokratie lehren, weil es tatsächlich anfass- und sichtbar ist, also verständlich.

Liebe Abgeordnete aller demokratischen Parteien in allen demokratischen Gremien: Auch wenn es fucking anstrengend ist, eure Entscheidungen in möglichst vielen plausiblen Details zu erläutern, damit sie verständlich werden, macht es. Je mehr ihr euer Wahlvolk verständlich informiert, um so mehr werdet ihr akzeptiert. Vom Mögen wollen wir jetzt hier an dieser Stellen noch mal nicht reden.

Die zunehmende Komplexität und besonders die veränderte Mediensituation fordert von euch mehr Anstrengung. Und dem müsst ihr euch stellen, weil genau die Demokratie genau das von euch fordert. In einer Situation wie der der aktuellen Pandemie einmal mehr. Jo, ist anstrengend, ihr schafft das, wenn ihr es wollt.

Ein Prozess über mehrere Jahre

„Wissen, Bildung und Information kann erst auf Basis diese moralischen Grundbedingungen wirksam werden. Und das ist unser Problem. Das moralische Minimum, das wir zum Aufrechterhalten gesellschaftlicher Kooperation brauchen, hat plötzlich zu wackeln begonnen.“ schrieb Florian Aigner in einem sehr lesenswerten Thread. „Wir müssen also irgendwie schaffen, nicht nur höhere Bildung zu verbreiten, sondern auch elementare moralische Grundbildung. Es darf sich in unserer Gesellschaft nicht lohnen, ein egoistisches Ekelpaket zu sein. Sonst ist all unser Wissen einfach umsonst.“

Dem ist wenig hinzu zu fügen. Um so wichtiger ist es, mit Vernunft und der größtmöglichen Transparenz auf der lokalen Ebene wieder ein Vertrauen der Bürgerinnen in die Politik und Verwaltung zu bekommen. Vertrauen entsteht übrigens auch besonders durch Konsequenz. Erst wenn immer wieder deutlich wird, dass das amoralische Verhalten einzelner die Gemeinschaft nachhaltig schädigt, und sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden, entsteht Vertrauen in die Organisationen. Dieser Prozess braucht, um erfolgreich zu werden, mehrere Jahre, und zieht dann hoffentlich auch in die höheren Ebenen ein.

Ich sortiere dann mal weiter meine Gedanken.

cdv!

 

 

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