Allgemein Begegnungen

Corona – Meine Infektion, Hilfestellungen und Irritationen

11. April 2021

Ein Gastbeitrag von Annette Kritzler

Alles beginnt am 14. März 2020: der erste Lockdown! Ich gebe mir die größte Mühe, dem Virus aus dem Weg zu gehen, schließlich habe ich eine Vorerkrankung.  Also gilt ab sofort: AHA-Regel, Mund-Nasen-Schutz oder auch “Schnutenpulli”. Nahezu isoliert von allen Freund*innen und der Familie gelingt mir das ganz gut.

Doch ziemlich genau ein Jahr später passiert es, trotz aller Vorsicht. Erst ein positiver Schnelltest am Samstag, 13. März 2021, wegen leichtem Husten und Schnupfen, dann die spätere Bestätigung durch einen PCR-Test: Ich habe mich mit dem Coronavirus infiziert. Und habe keine Ahnung, wann genau und bei wem, wodurch oder gar welche Variante. In Dortmund werden positive Abstriche nur stichprobenartig auf Virusmutationen hin überprüft! Warum auch von anderen lernen.

Ich gehe unmittelbar in die Quarantäne, informiere alle potentiellen Kontaktpersonen, und sorge mich um meine und deren Gesundheit. Dabei weiß ich nicht, was mir mehr zu schaffen macht: die Sorge darum jemanden angesteckt zu haben, oder die Angst davor,  was nun mit mir passiert.

Mit Viruslast durch die Stadt?

Sonntags meldet sich das Gesundheitsamt Dortmund. Man teilt mir mit, dass ich ab jetzt für 14 Tage unter Quarantäne stehe. Nach meinen Kontaktpersonen werde ich nicht befragt. Auf meine Rückfrage diesbezüglich vertröstet mich der freundliche Herr am anderen Ende der Leitung auf einen Folgeanruf (schnelles Handeln hatte ich mir anders vorgestellt!). Dies falle nicht in sein Aufgabengebiet, erklärt er mir! Allerdings weist er mich darauf hin, dass ich zur Validierung des Schnelltests nun bitte meine Hausärztin für einen PCR-Test aufsuchen möchte. Nur zum Verständnis, man erwartete, dass ich mit einer noch nicht bestimmten Viruslast durch die ganze Stadt fahren sollte (wohlgemerkt mit dem ÖPNV oder dem Rad, ich habe weder Auto noch Führerschein!). 

Hier beginnt die erste Irritation. Bis heute gibt es keine mobile Testteams, die Infizierte vor der Haustüre testen. Aus meiner Sicht steckt in diesem Vorgehen bereits ein erster Risikofaktor. Was ist, wenn ich auf dem Weg oder gar in der Praxis jemanden anstecke? 

In meinem Fall gibt es einen glücklichen Umstand. Ein befreundeter Hals-Nasen-Ohren-Arzt kommt noch am Sonntag umsichtig und professionell in voller Seuchenmontur, um den PCR-Abstrich vor meiner Wohnungstür abzunehmen. Das  positive Ergebnis erreicht mich erfreulicherweise bereits am Montagnachmittag. Die Viruslast liegt zu diesem Zeitpunkt bei CT 21, ich bin also hochinfektiös. Durch mein verantwortungsvolles Verhalten und das mehr als freundliche Entgegenkommen des befreundeten HNO-Docs habe ich gewiss andere vor einer Ansteckung geschützt.

Vier Tage (!) nach dem Bekanntwerden der Infektion meldet sich erneut das Gesundheitsamt bei mir! Whow, das nenne ich mal eine flotte Leistung (Ich meine das absolut ironisch!). Und ja, mir ist bewusst das wir eine solche Situation noch nie hatten, aber nach einem Jahr Pandemie… Puh, es fällt mir als Betroffene sehr schwer zu akzeptieren, dass die Gesundheitsämter (vermutlich nicht nur in DO!) bis heute personell derartig unterbesetzt sind, dass es zu solch sträflichen Verzögerungen kommt. Dem Virus spielt das maßgeblich in die Karten, dafür muss man keine Virologin sein.

Die freundliche Dame befragt mich nach meiner Wohnsituation. Ich lebe allein in meiner Wohnung, in einer neun Mietparteien-Altbauimmobilie. Sie fragt nach meinen Symptomen. Sie  erläutert mir erneut, dass ich die Wohnung nicht verlassen darf, und erkundigt sich, ob ich durch jemanden versorgt werden kann.

Datenschutz: Jetzt doch, oder doch nicht?

Meine wohl etwas unbequeme Frage danach, ob der Abstrich auf eine Mutante hin überprüft werde, verneint sie. Die Quarantäneverordnung werde mir per Post zugestellt. Warum ich diese nicht per Mail bekommen könne erklärt mir die Dame prompt mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), es sei schließlich ein amtliches Dokument. Ok, allerdings benötigt mein Arbeitgeber dieses Dokument, und das möglichst zeitnah, es ist quasi meine Krankmeldung! Per E-Mail könne man mir dies nur auf ausdrücklichen Wunsch zusenden. Ich wünsche es sofort aus- und nachdrücklich! 

In meinem Fall gibt es vier Kontaktpersonen, die ebenfalls für 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden. Alle sind schließlich mit einem negativen Befund getestet, ich habe niemanden angesteckt, zum Glück. Dennoch lässt man hier Vorsicht walten, das finde ich gut.

Der Teufel steckt im Detail. Man bittet mich, die Kontaktdaten der vier Personen in ein Formular einzutragen, das mir (Achtung, Spoileralarm!!!) via Mail zugehen wird. Ich möchte bitte die Daten möglichst schnell eintragen, und es „via E-Mail“ zurücksenden. Hier scheint die DSGVO kein Hinderungsgrund zu sein, ich verstehe das nur bedingt. Mal ganz abgesehen vom unnötigen Papierkram habe ich einen Email-Schlüssel zum sicheren Versand aller meiner E-Mails, die Stadt Dortmund wohl nicht? Sei´s drum. Die vier Kontaktpersonen werden umgehend informiert. Gut so.

In den folgenden Tagen wird der Schnupfen schlimmer, die Temperatur steigt, Kopf und Gliederschmerzen kommen als Covid-typische Reaktionen hinzu. Ich kann nichts mehr riechen, schmecken hingegen schon. In Absprache mit einer  befreundeten Intensivschwester (sie arbeitet auf einer COVID Station!) nehme ich ein Kombipräparat (Schmerzmittel + Fiebersenker). Mir hilft es. Insgesamt bleiben alle Symptome in einem verträglichen Rahmen. 

Die besten Freunde ever!

Das Schicksal beschert mir also glücklicherweise einen milden Verlauf, ich bin darüber unendlich dankbar. Zu meiner psychischen Verfassung sei an dieser Stelle gesagt: Mit meinen Freunden, die zum Teil auch meine Nachbarn sind, überstehe ich das alles recht gut. Euch möchte ich hiermit aus tiefstem Herzen meinen großen Dank aussprechen, ihr seid die besten Freunde ever! 

Die Quarantäne endet am 28.03.21, ein Sonntag. Bereits am 25.03.21 rufe ich erneut beim Gesundheitsamt an. Dieses hatte mich bis dahin sage und schreibe zwei Mal kontaktiert! Ich will mich erkundigen, was das weitere Prozedere nun vorsieht. Der freundliche junge Mann (so meine Einschätzung anhand seiner Stimme) vom ersten Telefonat ist erneut am anderen Ende der Leitung. 

Und nun bitte ich wirklich darum den folgenden Abschnitt aufmerksam zu lesen!

Auf meine Frage, ob sich am Sonntag jemand bei mir melden wird, um mich gegebenenfalls aus der Quarantäne zu entlassen,  gibt er mir zur Antwort, dass es sein kann, dass dies nicht passiert! Dünne Personaldecke!

Erneute Frage: Wie sieht denn die mögliche Entlassung konkret aus? Seine Antwort: Nun ja, wenn ich 48 Stunden symptomfrei sei, wird meine Quarantäne enden. Ich bin verblüfft.  „Das entscheide ich also selbst…?“  Es klingt willkürlich. Und er bestätigt mir, dass dies das übliche Verfahren ist. 

Wir sind noch nicht fertig. Ich wende ein, ob nicht ein weiterer PCR-Test notwendig ist, um auf Nummer sicher zu gehen.  Ja, sagt er, das kann ich auf freiwilliger Basis tun. Sollte dieser jedoch erneut positiv ausfallen, werde die Quarantäne verlängert. Da ich mich gut informiert habe, hake ich erneut nach:  Entscheidend ist doch die Viruslast, ein Test kann durchaus positiv sein, ab einem CT Wert von >30  ist man nicht mehr ansteckend.

Fahrlässige Informationen des Gesundheitsamtes

Diese Erkenntnis überfordert mein Gegenüber hörbar. Statt mich auf einen Rückruf zu vertrösten, um sich selbst korrekt zu informieren, rät er mir, auf den Test zu verzichten, wenn ich am folgenden Montag das Haus verlassen möchte. Wie bitte? Das macht mich sprachlos! Ich bitte ihn, diese Aussage zu wiederholen, dabei noch nicht sicher, ob ich mich verhört oder etwas falsch verstanden habe. Dem ist allerdings nicht so. Vollkommen irritiert beende ich dieses unsägliche Telefonat.

Ausdrückliche Anmerkung: Der junge Mann meldet sich gute 45 Minuten später erneut bei mir, um sich zu entschuldigen. Die Info zum positiven Test sei falsch gewesen, entscheidend ist tatsächlich die Viruslast. Die fahrlässige Aussage zum Thema „Dann lassen sie den PCR Test besser bleiben“ nimmt er allerdings nicht zurück.

Am darauffolgenden Samstag, einen Tag vor dem möglichen Ende meiner Quarantäne, ruft zu meinem großen Erstaunen das Gesundheitsamt Unna an. Man fragt mich, wo denn zum Ende meiner Quarantäne der PCR Test bleibt. Dieser sei schließlich notwendig, um überhaupt aus der Quarantäne entlassen zu werden! Ich bin mehr als perplex. Was habe ich als Dortmunderin mit dem Gesundheitsamt in Unna zu tun? Warum gehen die umsichtiger mit dem aktuellen Geschehen um? Warum Unna bei mir anruft, lasse ich aus Gründen des Datenschutzes hier mal verständnisvoll aus.

Gegen 11 Uhr am Sonntagmorgen ruft das Gesundheitsamt an, um das offizielle Ende meiner Quarantäne zu bestätigen. Kurios: Das Amt verlangt keinen weiteren PCR-Test von mir, lobt mich aber über den grünen Klee, als ich deutlich mache, den nun selbst anschubsen zu wollen. Noch kurioserer Hintergrund: Einen erneuten Test verlangt man nur von „systemrelevanten“ Personen, von „Frau Normalo“ nicht. Begründung dafür: Das schaffen die Dortmunder Testzentren nicht. Oha!

Ich bin viel zu verantwortungsvoll, als dass ich diese Infektion auf die leichte Schulter nehme.

Der befreundete HNO-Arzt nimmt unter den schon zuvor beschriebenen Bedingungen erneut einen PCR-Abstrich, der leider erneut positiv ausfällt. Die Viruslast ist noch immer zu hoch. Meine Quarantäne wird um eine weitere Woche verlängert. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn ich auf Grund der von mir „gefühlten“ Symptomfreiheit vor die Tür gegangen wäre!!!    

Heute geht es mir sehr viel besser. Das alles liegt nun eine Woche hinter mir. Das Aufschreiben hilft, die zurückliegenden Geschehnisse zu sortieren und zu verarbeiten. Deutlich wird dabei: Ein Jahr Pandemie hat bisher nicht dazu geführt, einen gut strukturierten Umgang mit dem tödlichen Virus auf den Weg zu bringen. Viel mehr werden die Hinweise und Warnungen von Fachleuten und/oder Experten ignoriert, man klüngelt lustig vor sich hin, und es ist noch immer höchst verwunderlich, dass die Inzidenz-Werte steigen.

Es bleiben viel zu viele Fragen

Es bleiben viele Fragen. Etwa an die Stadt Dortmund und an das dort angegliederte Gesundheitsamt. Wie genau sieht denn die Ausstattung dort aus, um das lokale Geschehen tatsächlich im Blick und damit im Griff zu haben? Wurde die Bundeswehr um Hilfe gefragt? Wurden Mitarbeiter:innen aus anderen Ämtern zur Unterstützung herbei gezogen? Wie werden diese geschult und begleitet, um möglichst gute und wirkungsvolle Ergebnisse zu erzielen? An die Verantwortlichen richte ich meinen Appell! Handelt strukturiert und organisiert, sonst werden wir dem Virus nicht die Stirn bieten können! 

Ich verbinde mit diesem sehr persönlichen Bericht die Hoffnung, dass es eine sinnvolle Aufstockung des Personals geben wird. Dass dieses Personal wirklich gut geschult sein wird, damit niemand mit einer noch ansteckenden Coronainfektion durch Dortmunds Straßen läuft. 

Ich frage ich mich, wie ein Mensch, der nicht so verantwortungsvoll und gut informiert ist,  auf die oben geschilderte Aussage reagieren kann. Die Sehnsucht nach „Freiheit“ mag von Fall zu Fall größer sein als die Verantwortung seinen Mitmenschen gegenüber.  

Mir geht es aktuell gut, der Geruchssinn ist zwar noch nicht wieder da, er kehrt aber gewiss ganz allmählich zurück, zumindest ist dies heute mein Eindruck. Vorsichtig optimistisch blicke ich nach vorne, ob Spätfolgen eintreten werden … , who knows? 

Ich bin dankbar für all die Zuwendung, die Zuversicht, und die lieben und aufmunternden Worte, die mich im Verlauf dieser drei Wochen erreicht haben. Es stand Kuchen, Suppe und Eintopf vor meiner Tür, ebenso Osterüberraschungen. Diese Menschlichkeit bedeutet mir sehr viel und sie trägt mich weiter durch diese Pandemie. Ich wünsche dies allen Betroffenen und noch mehr wünsche ich Euch „Bleibt gesund!“.

     

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