Allgemein Arbeit

Rückblick: Ein Jahr am Lenkrad

24. Januar 2021

Und, wie isses? Läuft, einigermaßen, immerhin entspannt.

Gerade erst gestern einen gechillten Samstagsdienst absolviert. Eine ruhige Runde auf der 24 in Menden, dann eine Runde Linie 13 von Hemer nach Iserlohn, anschließend die Linie 1 von Hemer bis Hohenlimburg, und wieder zurück nach Hemer. Am Abend dann zurück nach Fröndenberg, tanken, fegen, den Bus rückwärts in den Hof, Scheibe ans Brett, fertig.

Alles andere als entspannt war ich am 27. Januar 2020, als ich nach dem frisch erworbenen Führerschein der Klasse D als Praktikant bei der Wilhelm Sauer GmbH & Co. KG an den ersten Zündschlüssel durfte. Zusammen mit erfahrenen Kollegen erhielt ich die Einweisung auf die hier obligatorischen Linien im Vorsauerland. Heute im Rückblick weiß ich: Selbst nach fast 40 Jahren Fahrerfahrung hatte ich massiven Respekt vor den 10-Tonnen-Kisten, die ich nun zu bewegen hatte. Kurzum: Mir schlotterten häufig die Knie.

Am Ende der ersten Wochen waren leider einige Schäden zu berichten. Einer glimpflich, zwei versicherungspflichtig. Was den wunderbaren Einweisungs-Kollegen nicht anzulasten ist. Die langjährige Erfahrung methodisch und didaktisch sinnvoll weiter zu geben, stand nie auf ihrem Aufgabenplan. Gelernt habe ich dennoch gerade in den ersten Wochen enorm viel. Danke euch, Kolleginnen. Das werde ich nie vergessen.

Die Pandemie im Bus

Zwischendurch, ach ja, diese, äh, Pandemie. Die vorderen Eingangstüren versperrt, keine Kassierung. Eine Bescheinigung der Geschäftsleitung, als systemrelevanter Mitarbeiter zur Arbeit fahren zu dürfen. Oha. Mittlerweile fahren wir mit transparenten Rollos, der Schutz ist so mittel. Viele Kolleginnen der anderen Unternehmen fahren mit stabilen Plexiglasscheiben. Mulmig ist mir zuweilen immer noch, am Anfang sogar sehr. 

Die Anstellung aus dem Praktikum währte nur kurz. Die Kündigung. Verständlich im Fazit, denn in dieser Branche, und ich meine damit hauptsächlich kleinere Unternehmen, ist das Wort Unternehmenskultur ein Fremdwort. Geprägt ist sie natürlich dennoch, durch die Geschäftsleitung. Und während ich am nächsten Tag (!) schon die neue Stelle sicher hatte, sollte es ein Wechsel von der Überkontrolle in die Nichtkontrolle sein.

Die etwas anderen Abläufe in dem wesentlich kleineren und noch weniger digitalen Unternehmen KS-Reisen dauerten einige Wochen, bis sie drin waren. Etwas Linienkunde en passant, das war’s dann. Erkenntnis: Find your own way. Wird schon. Busfahrer sind ohnehin auf der Strecke Einzelkämpfer. Wer aus Jobs kommt, in denen Kommunikation und Lernen ganz vorn steht, schaut sich hier zunächst etwas ratlos um. Wer dann noch von digital auf ganz analog zurückgeworfen wird, blinzelt häufiger mit den Augen. Sinnvoll? Diese Frage bitte mal ganz nach hinten stellen.

Es dauert etwas, bis man weiß, wie jeder Bus tickt, wo jedes Knöpfchen sitzt, was welche Warnmeldung bedeutet. Aktuell: Zwei schon etwas betagte Mercedes Citaro, ein starker und leider nervend piepsender Iveco, der Rest sind MAN, von nagelneu bis etwa um die 500.000 Kilometer gelaufen. Nett war es, den einen Citaro vor einigen Tagen über die 800.000 Kilometer zu fahren. Auch wenn sie in ihrem Alter anfälliger werden, die Mercedes-Busse sind mir mittlerweile lieber. Sie sind auch nach vielen Jahren noch stabiler in der Lenkung oder in der Federung. Ärgerlich ist immer, wenn sich ein Sitz nicht mehr gut einstellen lässt. Was mir gerade fehlt, ist eine Entwicklung. Leider hatte ich nur einen Tag, an dem ich einen Gelenkbus fahren durfte. Das würde ich jetzt gern mal wieder tun. In Pandemiezeiten leider gar nicht machbar, aber das Fahren eines Reisebusses steht auch noch auf der Bucket-List. 

Lieber mehrere Linien

Meine ganz persönliche Erfahrung: Dienste mit kurzen Linien sind für mich nervtötend. Meist sind es innerstädtische Strecken, oft mit Stehzeiten (sogenannten Überlagen) verbunden, wenig Publikum (auch wegen der Pandemie). Die längeren Strecken zwischen mehreren Städten fahren sich besser. Dienste mit vielen Linien am Tag sind auch okay. Zuweilen auch merkwürdig. Etwa immer dann, wenn es darum geht, mit einem Bus für 100 Personen zwei Menschen aus einem Industriegebiet zum Bahnhof in der benachbarten Stadt zu fahren. Geteilte Dienste (Morgenrunde, längere Pause, Abendrunde) sind nervig; der komplette Tag ist im Arsch.

Oft erkennt man auf den innerstädtischen Linien die Menschen schon, weiß wo sie einsteigen, wo sie aussteigen. Fragt sich manchmal sogar, was los ist, wenn sie dort zu der Zeit nicht stehen. Gespräche gibt es dennoch wenig. Immerhin gab es ein kleines Weihnachtstütchen mit Süßigkeiten, mal ein Döschen Tic-Tac, Schokolade gab es auch.

Der ÖPNV müsste flexibler sein

Das ÖPNV-System aus dieser Perspektive? Puh, schwierig, besonders in dieser Zeit. Meinem Empfinden nach zu statisch, zu wenig flexibel und nachfrageorientiert. Statisch etwa, wenn ich weiß, dass ich in einem Dienst eine Linie aus einem Industriegebiet bediene, in dem seit vielen Monaten niemand einsteigt. Den Bus fahre ich dennoch planmäßig. Bestimmte Wohngebiete werden stündlich oder gar halbstündlich abgefahren, obgleich nur zwei oder drei Fahrgäste zu dieser Zeit einsteigen. Wie und in welchem Terminus dies überprüft wird, entzieht sich derzeit meiner Kenntnis. 

Das System des ÖPNV besonders in den ländlichen Gebieten des Vorsauerlandes ist krank. Es wurde vor vielen Jahren mit dem Schülerverkehr kombiniert, der genau zu zwei Momenten eine komplette Auslastung vorsah und noch immer vorsieht: Schulbeginn und Schulende. Der ÖPNV wird noch heute genau damit finanziert, es ist reine Augenwischerei. Genau zu diesen Zeiten werden ordentliche Kapazitäten gebraucht, sonst nicht. Denn die Busfahrt als solches ist nur wenig attraktiv. Die Standardsitze in allen Linienbussen sind so mittel bequem (maximal 30 Minuten), es gibt kein W-Lan, und keinen weiteren Support (Kaffee, Brezeln, anderes). Klar, es gibt einige Linien, die stark frequentiert sind. Da lohnt sogar der Gelenkbus.

Eine wichtige Feststellung obendrein: Meiner Vermutung nach geschehen weniger als fünf Prozent der Fahrten spontan (also im Vorsauerland, das mag in Großstädten anders sein). Das lässt sich flexibler und besser anders lösen, siehe Loop in Münster. Hinweise, den ÖPNV tatsächlich attraktiver zu machen, finde ich im heimischen Kreis an keiner Stelle. Würde das gern mal mit Verantwortlichen tief diskutieren, vielleicht findet sich mal jemand dafür.

Schöne Kombi: Busfahren und Kommunikation

Seit einigen Wochen fahre ich nur noch Halbzeit. Es waren dann doch zu viele Anfragen nach einem Training, einem Coaching, nach einer neuen Website, die nebenbei nicht mehr zu erledigen waren. Die Mischung ist gerade ganz wunderbar, so kann es gern auch weiter gehen. Wer also Beratung, Kommunikationsstrategie, Training, Social Web, Text oder einen Relaunch der Internetpräsenz braucht, kann sich gern melden. Glücklicherweise hat sich der groß gewordene Junior so tief in die Materie gekniet, dass da einiges machbar ist. Mich macht das gerade glücklich, dass wir jetzt zusammenarbeiten können.

cdv!

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  • Meike Leopold 27. Januar 2021 at 20:58

    Hut ab Christian, ich finds klasse, wie du das so machst und mal zu erfahren, wie das Leben aus der Perspektive eines Busfahrers aussieht. Danke dafür und viele Grüße, Meike

    • cdv 27. Januar 2021 at 21:17

      Danke, Meike. Es hat gerade aktuell so zwei Seiten, weil ich aus der Kommunikation auch nicht ganz raus möchte. Denke aber, das der Weg gerade ganz okay ist. Bin alt genug, zu warten und behutsam zu steuern.