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Ein Beitrag über Dinosaurier

12. Januar 2021

Schatz, es wird mal wieder Zeit. Nicht nur, weil Meike Leopold dazu aufruft. Sondern, weil es mal wieder an der Reihe ist, einiges einzuordnen. Ist das überhaupt sinnvoll, hier immer mal wieder Texte in dieses Internetz zu schreiben? Da ich nicht tracke, weiß ich ich nicht, ob das überhaupt jemand liest. Kommentare wird es vermutlich auch keine unter diesem Beitrag geben. Die gibt es ohnehin nur bei Facebook oder Twitter. Immer dann, wenn wir unsere Beiträge an die bekannten Glocken hängen. Am Ende bleiben die Dinosaurier

Aber der Reihe nach.

Bei mir ist der große Schreib-Enthusiasmus derzeit raus. Das liegt am anderen Job, an vielen Kleinigkeiten. Die Frequenz ist also niedrig, der „Erfolg“ also auch, weil die Reichweite nur so niedrig bis manchmal mittel. Warum also weitermachen? Einfache Antwort: Weil ich es will. Und weil ich es kann. Immer dann, wenn ich schreiben möchte, kann ich hier alles tun, was ich möchte. Und aktuell erreicht diese Möglichkeit schon wieder einen sehr hohen Wert. Ich erhalte den Dinosaurier einfach am Leben.

Was derzeit passiert

Die Diskussion um die Sperrung der Accounts eines amerikanischen Präsidenten hat vielleicht eine andere Qualität. Sie macht gleichzeitig deutlich, dass es auf anderen Plattformen mehr als ruppig zugehen kann. Es besteht zudem eine große Abhängigkeit. Dem Willen, Wohl und Wehe der Plattformbetreiber sind wir mit der Anerkennung der Nutzungsrichtlinien ausgeliefert. Die Verschmelzung der Daten von Facebook, Instagram und WhatsApp sorgen, wenn auch mit den Einschränkungen der europäischen Richtlinien, ebenfalls für viel Gesprächsstoff. Was also tun? Übliches Gemurre, wir laden endlich Threema oder Signal auf das Smartphone, und wissen gleichzeitig, dass das nahezu überflüssig ist, weil wir damit nicht viele Menschen erreichen können. Wir können da ja nix ändern.

Was haben wir gemacht?

Besonders die Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram, haben die Nutzerinnen der letzten zehn Jahre quasi in sich aufgesogen. Das eigentliche Surfen, also hopsend von Link zu Link zu den zuweilen skurrilsten Angeboten, wurde immer weniger. Mit sehr viel technischem Aufwand haben die Plattformen dafür gesorgt, sich dort möglichst lange und wirklich auch nur dort zu verweilen. Mittlerweile gibt es nach meiner Einschätzung auch immer weniger Menschen, die auf mehreren Plattformen gleichzeitig unterwegs sind. Und seitdem sich LinkedIn anschickt, das Facebook des Business zu werden, bin ich kaum noch dort. Alter Verwalter, das macht keinen Spaß mehr. Die Messengerisierung gibt dann den letzten Rest. Alles digital, schön schaurig fragmentiert.

Gleichzeitig haben wir das Schreiben verlernt, weil wir es gar nicht mehr brauchen. Als Antworten auf etwas reichen zur Not auch Emojis. Schon wieder drei Wörter weniger. Als bekennender Instagram-Nichtmöger ist diese Plattform diejenige, die das Schreiben gleich mal mehr in den Hintergrund gedrängt hat. Schönes Foto, schicker Filter, Hauptsache Selfie – ok, noch drei bis vier Hashtags, ab damit, Likes einsammeln. Was braucht es da große oder gar viele Worte.

Und auch, wenn Twitter die Zahl der Zeichen irgendwann mal verdoppelt hat, hat es dazu beigetragen, insbesondere den persönlichen Internetseiten (formally known as blogs…) das Wasser abzugraben. Den Thread-Schreibern möchte man immer häufiger zurufen: Kauf‘ dir endlich mal eine eigene Seite, damit ich das endlich mal in aller Ruhe und ordentlich nachlesen kann. Machen sie aber nicht, weil zu wenig Zeit, musste jetzt mal raus, und bin schon wieder ganz woanders. TikTok für die Kiddies ist lustig. Schnell, bunt, laut, schrill – man hat eine geraume Zeit richtig Spaß. Was bleibt? Ein Dinosaurier ist das noch lange nicht, sehr lange nicht.

Überhaupt Nachlesen: Stories und Snaps, die verschwinden, entsprechen nicht mehr dem Kern, den wir vor vielen Jahren noch im Kopf hatten: Wissen zu teilen, es jederzeit verfügbar zu machen. Schön idealistisch gedacht, ich weiß. Wir sind eigentlich noch immer dabei, die digitale Kulturtechnik in Häppchen zu antizipieren. Kurze Zwischenfrage: Wie oft nehmt ihr euch im Jahr Zeit, die unzähligen Fotos auf  eurem Smartphone zu sichten, zu sichern, zu ordnen, vielleicht für die Nachwelt zu verwahren? Was bleibt?

Wie viele spannende, mutige und experimentierende Tools und Plattformen allein in den letzten Jahren an mir vorbeigezogen sind, weiß ich nicht mehr. Irgendwann hörte ich auf zu zählen. Google+ gehört genau so dazu wie  die regionalen Vorläufer von Facebook, wie Tumblr oder sogar schon Medium. Veröffentlicht noch jemand dort? Wenn ja, warum? Wer weiß, wie lange es das noch geben wird.

Und nun?

Die Dinosaurier des Internets bleiben die persönlichen Internetseiten, über die ich vor zwei Jahren schrieb, dass man sie nicht mehr Blog nennen soll, siehe Texteinstieg. Man hat, und ich bleibe noch immer dabei, den Begriff Blog leider erfolgreich diskreditiert. Lest das ruhig noch mal ganz durch, da stimmt noch immer alles. Ein weiterer Dinosaurier ist übrigens das noch immer nicht ausreichend verstandene und immer noch ausbaufähige Youtube. Wobei gleichzeitig klar ist, nun in einem neuen Dilemma zu stecken. Die Beiträge auf den eigenen Seiten sollten über eine weithin bekannt Suchmaschine auffindbar sein. Und die Video-Bude gehört zum gleichen Konzern. Abhängigkeit erneut, you know? Irgendwas ‚is immer.

Wenn uns Wissen und Wissensvermittlung weiterhin wichtig sind, sollten wir auch weiterhin in unsere Internetseiten schreiben. Jeder so, wie er oder sie will, so oft oder so selten, wie’s geht, so bunt oder so übersichtlich, wie er oder sie es gern mag. Und ob das nun ein Blog, oder Magazin, oder ein Shop oder eine Bildergalerie ist, spielt doch überhaupt keine Rolle mehr, kann man häufig nicht mal mehr erkennen. Entscheidend ist die Unabhängigkeit. Und die Sicherheit. So lange der Hoster nicht seine Bude anzündet, und ihr regelmäßig euren Obolus bei ihm abdrückt, könnt ihr gemeinsam mehrere Jahrzehnte alt werden. Da bin ich mir bei den Plattformen mittlerweile nicht mehr so sicher.

Wenn ich die Entwicklungsgeschwindigkeit der letzten zehn bis fünfzehn Jahre so betrachte, werden wir vermutlich ohnehin schon in zwei bis drei Jahren noch ganz andere Dinge diskutieren, von denen wir jetzt noch nicht einmal eine Ahnung haben. Bis dahin machen wir einfach beharrlich weiter, lächeln sanftmütig denen zu, die diese Internetseiten „topflappig“ finden und sie für immer beerdigen wollen. Also, Ärmel hoch, tippen!

cdv!

Nachträgliches Edit: Der Beitrag ist auch für die von Meike Leopold initiierte Blogparade geschrieben, aber nicht nur.

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  • Meike Leopold 13. Januar 2021 at 11:54

    Hallo Christian, also ich hab deinen Post schon mal gelesen und kommentiere jetzt auch! :) Und dass wir unsere Beiträge bei Social bewerben, finde ich jetzt nicht ehrenrührig. Vieles was du sagst, kann ich sehr gut verstehen. Was ich nicht kapiere: Warum persönliche Seite statt Blog? Ist es der Begriff an sich? Bei allem wunderbar formulierten Kulturpessimismus und wirklich diskutierenswerten Gedanken finde ich deine Handlungsaufforderung am Schluss besonders gut: Ärmel hoch, tippen! :) Toll, dass du mitgemacht hast und liebe Grüße, Meike

  • Das Blog - ein Medium von gestern? #Blogparade #liveloveblog 17. Januar 2021 at 11:17

    […] Die Dinosauri­er des Inter­nets sind weit­er­hin wichtig […]

  • Die alte Frage: Hat Bloggen noch Zukunft? [Blogparade] - family4travel 19. Januar 2021 at 13:31

    […] nicht bezahlt und die Domain abgeschaltet wird.“ Und in eine ganz ähnliche Kerbe haut Christian de Vries in seinem Blog über Kommunikationsmanagement: „Entscheidend ist die Unabhängigkeit. Und die […]

  • 17 Jahre bloggen, Tagebuch für alle – Horst Schulte 19. Januar 2021 at 14:02

    […] Die Dinosaurier des Internets sind weiterhin wichtig […]

  • Peter 22. Januar 2021 at 08:14

    Hallo Christian,

    ich bin auch ein Teilnehmer bei der Blogparade und schaue mir grade die anderen Beiträge der anderen Blogger an. Tatsächlich meine ich bei vielen eine gewisse Depression zu fühlen, weil die Blogs – in Ihren Augen – nicht den Stellenwert haben wie Facebook u. Co.
    Wir sollten nicht vergessen, dass solche Plattformen ein Heer von Programmierern, Marketingexperten und anderen Mitarbeitern benötigt und Millionen € an Hardware investieren muss. Für die ist der Besucherandrang und die Nutzung für den Erfolg existenziell. Ich glaube da haben wir es doch noch ganz gut getroffen.

    • cdv 22. Januar 2021 at 10:26

      Peter, natürlich haben wir es gut getroffen. Ein Grund für mein Plädoyer, weiter zu tippen. Dennoch hilft ein realistischer Blick auf die Gesamtlage, um es zu verstehen. Kein Grund, depressiv zu werden, „nüchtern“ ist die richtige Bezeichnung. Go on!